Textildesigner Giulio Gallana x TRENDSCHNITT - und wie es zur Kooperation kam
04.09.2024
Textildesign in Kombination mit TRENDSCHNITT tönt vielversprechend, nicht wahr?
Ich, Wilma reise nach Bern und treffe dort meinen Interview Gast. Es ist so, dass wir uns noch nie wissentlich gesehen und getroffen haben.
Ich bin schwer beladen, trage eine grosse Stoffrolle und zwei frisch gebügelte Hemden mit mir, drum bin ich mir ziemlich sicher, dass mich mein Interview-Partner gleich erkennen wird.
Giulio Gallana, ein Künstler und Textildesigner aus Bern, hat an der HSLU Textildesign studiert und sich mit den unterschiedlichsten Arten der Herstellung und Veredelung von Textilien auseinandergesetzt.
Insbesondere faszinieren ihn die Erarbeitung von Upcyclingstrategien und den projektspezifischen Einsatz von Veredelungstechniken.
Du hast in Luzern Textildesign studiert. War das schon seit jeher dein Plan?
Das Kreativ-Sein begleitet mich schon seit Kindertagen. Ich konnte den gestalterischen Vorkurs im Rahmen der TAF in Hofwil über die gesamte Gymnasiumszeit integrieren.
Dort bin ich in den Genuss von Werkstatteinführungen und Atelierbesuchen gekommen, konnte bereits erste kreative Projekte realisieren und auch ein bisschen Hochschul-Luft schnuppern.
In dieser Zeit habe ich meine Begeisterung für den Siebdruck entdeckt, so dass ich unbedingt mehr über Textilien und deren Mustergebung lernen wollte.
Deine Bachelor-Arbeit und das erste Treffen mit TRENDSCHNITT stehen in direktem Zusammenhang, nicht wahr?
Beim «Gwand» Festival, wo sich alles um das Erleben und Weitertragen von Nachhaltigkeit in den Bereichen Mode, Design, Ernährung, Gesundheit, Kosmetik und Wohnen dreht, habe ich meine Bachelor-Arbeit präsentiert.
An einem Stand präsentierte ich meine eigene Siebdruck-Kollektion, die Shirts, Hemden und Hoodies umfasste.
Susanne hat mich dort mit den Schülerinnen ihrer Nähatelier-Klasse besucht. Alle waren total begeistert und haben sich sehr für meine Produkte und die Siebdruck-Technik interessiert.
Aus diesem Zusammentreffen hat sich sogar eine Kooperation ergeben. Erzähl mal...
Am selben Tag, ein paar Stunden später, ist Susanne wieder an meinem Stand aufgetaucht und hat mir die Idee einer Kooperation präsentiert:
Mein Siebdruck soll ein TRENDSCHNITT-Hemd schmücken!
Eine coole Idee, die ich natürlich unbedingt realisieren wollte.
Was hat dich zu dem «TRENDSCHNITT-Stoff» inspiriert?
Inspiriert haben mich die alten Lochkarten, die in den ersten automatisierten Stickmaschinen eingesetzt wurden.
Müsste ich den Stoff in Worte fassen, dann würde das so tönen:
Das Leben überrascht immer wieder mit neuen Möglichkeiten und Umständen. Wie man auf diese eingeht und was man daraus macht, bestimmt den Weg, den man geht.
Es handelt sich also um eine Art Visualisierung des Lebens auf abstrakte Art.
Sozusagen eine Lochkarte des Lebens, auf einem Stoff festgehalten. «Connect the dots» kommt mir dabei in den Sinn.
Wie lange dauert der ganze Prozess von der Idee bis zum fertigen Produkt?
Ich habe die Zeit in der TaDA Residency in Arbon genutzt und mich einer intensiven Schaffensphase hingegeben.
Nach etwa zwei Monaten war der Stoff ready zum Vernähen.
Die einzelnen Arbeitsschritte umfassten:
- Das Finden und Erstellen des Siebdruckmotivs
- Die Herstellung des Siebs
- Das Bedrucken der Stoffbahn
- Zum Schluss das Besticken des Stoffs
Die TaDA Residency? Erklär uns doch, wo du die letzten drei Monate verbracht hast.
Ich hatte das grosse Glück, dass ich dieses Jahr von der TaDA Residency auserwählt wurde.
«TaDA – Textile and Design Alliance» ist ein von den Kantonen Appenzell Ausserrhoden, St.Gallen und Thurgau gemeinsam lanciertes Kulturförderprogramm.
Es ermöglicht die künstlerische Auseinandersetzung mit der Ostschweizer Textil- und Designkultur. Eine Anbindung an die Praxis und an die in der Region verankerten Textilunternehmen ist ein zentrales Element von TaDA.
TaDA bietet jährlich sechs nationalen und internationalen Persönlichkeiten einen Arbeitsaufenthalt in Arbon an. In der Residents werden innovative Projekte in den Bereichen Kunst, Design, Architektur, Literatur und Performance entwickelt.
Textil- und Design Unternehmen aus der Ostschweiz stellen den Kunstschaffenden als Programmpartner ihr Know-how und ihre Technologie zur Verfügung. Die Residents erhalten so die Möglichkeit zur praktisch-künstlerischen Arbeit und zur angewandten Forschung.
Was inspiriert dich, wo findest du deine Ideen?
Die Ideen sprudeln einfach so aus mir heraus, 24/7.
Meine Ideen und Gedanken halte ich gerne in meinem treusten Begleiter, dem Skizzenbuch, fest.
Würdest du sagen, du bist der chaotische, oder eher der strukturiert-exakte Künstler? Hast du Vorbilder?
Ich kenne und lebe beides. Ich würde mich nicht als typischen Chaoten bezeichnen. Was ich allerdings am Chaos schätze, ist, dass so Freiraum für neue Verknüpfungen entstehen können.
Vorbilder? Aber sicher... mein Vorbild Nummer eins ist Albert Oehlen, ein wichtiger, zeitgenössischer, deutscher Maler, Objekt- und Installationskünstler.
Wenn ich seine Bildwelten anschaue, sagt mein ganzer Körper ja. Sein Gespür für Formen und Farben berührt und inspiriert mich tief.
Wie würdest du deinen persönlichen Kleidungsstil bezeichnen? Was ziehst du gerne an?
Mein Kleiderschrank beherbergt nur wenige Kleider, die ich über einen langen Zeitraum trage. Ist mir nach einer Weile ein Kleidungsstück zu langweilig, dann modifiziere und bedrucke ich es.
So entsteht ein «neues» Teil. Immer wieder neue Sachen zu kaufen, oder ein Outfit nur einmal zu tragen, finde ich weder gut, noch unterstützenswert.
Du wertest gerne alte Kleidungsstücke auf – immer die deinen?
Für meine Bachelor-Arbeit habe ich tatsächlich meine eigenen Kleider aufgeopfert.
Während der Residenzzeit wurde ich von der «Heilsarmee» und «Rework» gesponsert. Diese haben mir Kleider zur Verfügung gestellt, die nicht mehr ganz ihren Standards entsprachen.
Wären sie nicht bei mir gelandet, hätte man die Kleider zu Putzlappen weiterverarbeitet.
Strebst du als Textildesigner eine Festanstellung bei einer Textilfirma an, odertendierst du zur Selbständigkeit?
Ich bevorzuge klar die Selbständigkeit, die ich aktuell am Planen und Realisieren bin.
Ich möchte Brands in der Textil-Veredelung und deren Umsetzung beraten und mit textilen Restbeständen neue Produkte gestalten.
Auf deinem Weg zur Selbständigkeit ist dir das «Starting Power» Programmvon Pro Helvetia eine grosse Stütze. Kannst du uns das erklären?
Als Schweizer Kulturstiftung fördert Pro Helvetia im Auftrag des Bundes zeitgenössisches, professionelles Kunst- und Kulturschaffen. Jährlich kommen bis zu sechs junge Designer und Designerinnen in den Genuss des «Starting Power» Programms.
Dieses richtet sich an Menschen, die in der Gründung eines Start-ups sind. Während sechs Monaten erhalten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen ein individuelles Coaching in den Bereichen Projektentwicklung, Nachhaltigkeitskonzepte, Geschäftsstrategie, Finanzen, Marketing/PR und Pitch-Training.
Was für Ideen hast du für deine Zukunft? Was sind deine Werte, wie möchtest du die Welt verändern?
Mein Wunsch und Ziel ist es, dass mehr Upcycling-Produkte sowohl in den Showrooms als auch auf der Strasse vertreten sind.
Es soll mit den vorhandenen Ressourcen gearbeitet, und der Mehrwert von der Textilveredelung bereits vorhandener Textilien erkannt und umgesetzt werden.
Wie und wo können wir dein Schaffen bestaunen?
Das ganze Spektrum meiner Arbeit, visualisiert auf Kleidern und Accessoires, zeige ich an der Underground Fashion Show. Hier begegnet man verrückten, kreativen, interessanten und politischen Statements auf dem Laufsteg.
Mitmachen können alle, die ihr Schaffen vor Publikum zeigen möchten. Tickets sind Gratis, aber begrenzt.
Natürlich walkt hier auch das Giulio-Trendschnitt-Hemd über den Laufsteg.
Fazit
War das schön, aufschlussreich und interessant, mich nach einigen Telefongesprächen und whatsapp Diskussionen auch mal live mit Giulio Gallana zu treffen.
Das war nicht die einzige Premiere!
Heute hat Giulio «sein» Hemd, das ich genäht habe, zum ersten Mal gesehen.
Nach unserem Treffen habe ich mir fest vorgenommen, meine eigenen Kleider länger zu tragen und mich unbedingt im Upcycling zu üben. Ich werde nicht mehr so schnell zum Kleidersammlungs-Sack greifen - versprochen.
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„«Ich bin Wilma Brunner, nähe seit fast 20 Jahren und bin seit 8 Jahren begeisterte TRENDSCHNITT-Näherin. Ich habe bei Susanne den Lehrgang Mode & Design und einige darauf folgende Ateliers besucht. Inzwischen bin ich Bloggerin bei TRENDSCHNITT, betreue den Pinterestaccount, beantworte im Onlinekurs Hosen-Heldin Community-Fragen und unterstütze Susanne bei neuen Schnittmuster. Mit meinem Mann und zwei Töchtern lebe ich in der Schweiz, bin ein absoluter unifarben-Fan, mag Farbexplosionen, aber (leider) keinen Kaffee ;-)» Wilma Brunner